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"Salto ergo sum" bedeutet "ich tanze, also bin ich". Es ist durch ein Zitat von René Descartes geprägt. Dieser drückte mit den Worten "cogito ergo sum (ich denke, also bin ich)" aus, dass sich der Mensch als denkendes Wesen definiert.

Ich tanze seit ungefähr 16 Jahren verschiedenste Tanzstile. Daher verstehe ich mich als tanzendes Wesen. Gerne erläutere ich Ihnen im Folgenden, was mich hierzu bewegt.


 

Eine Form des Ausdruckes, die mit Worten nicht möglich ist

Eine neurotypische Mittänzerin hat es einmal sehr treffend geäussert: "ich tanze, weil es mir eine Form des Ausdruckes ermöglicht zu der ich mit Worten nicht in der Lage bin." Auch heutzutage fällt mir auf, dass ich in Gesprächen gewisse Sachverhalte mitteilen möchte - manchmal gelingt es jedoch nicht, sie treffend auszudrücken, sodass sie mein Gegenüber nicht nachvollziehen kann. Es fragt sich dann "ich verstehe nicht. Was willst du damit sagen?" und blickt mich verständnislos an.

Beim Tanzen ist dies ganz anders. Hier kann ich Gefühle, Worte und Gedanken auf eine ausdrücken, die mir ansonsten verwehrt bleibt. Ich habe Zugang zu einem Teil von mir, den ich ansonsten nicht darstellen kann. Ich kann mich in meinem Stil ganz gemäss meinen eigenen Vorstellungen wie ein Fisch im Wasser bewegen. In anderen Sportarten wäre ich eher wie ein Fisch an Land. Es entsteht damit eine Art Flow, den ich geniesse.

 

Variationsmöglichkeit ist unendlich

So wie vielen anderen autistischen Personen ergeht auch mir: ich schaue enorm gerne Dokumentationen zum Thema Universum. Die Grenzen des Universums dehnen sich immer weiter aus und dies, so glaubt man den Forschern, mit zunehmender anstatt abnehmender Geschwindigkeit. Das mag etwas seltsam klingen, aber Tanz ist für mich wie ein riesiges Universum. Abgesehen davon, dass es in jedem Tanzstil hunderte Schritte mit eigenen Namen gibt, lässt sich im Tanz jedes Körperteil einzeln bewegen und dies auf unterschiedliche Arten. Kombiniere ich nun verschiedene Körperteile, steigt die Anzahl Bewegungen ins Unendliche. Hinzu kommen verschiedenen Stilrichtungen, räumlichen Ausrichtungen, Songs, Rhythmen, Tempi, Ausdrucksarten und Abfolgen. Die Variationsmöglichkeiten sind riesig und jedes Mal kann ich etwas Neues entdecken.

 

Bringt Personen mit Autismus besondere Vorteile

Tanzen ist für mich zu einer Art Selbsttherapie geworden. Am Ende eines gewöhnlichen Tages, an dem ich arbeiten gehe, Termine wahrnehme oder notwendigen Alltagsarbeiten zu Hause nachgehe, beschäftigen mich Anspannung, Unruhe und fahrige Gedanken. Nach dem Tanzen bin ich entspannt und gemütlich unterwegs - es fühlt sich an, als wäre der Alltag verdaut worden. Dies hat auch kürzlich meine Tanzlehrerin bestätigt, indem sie darauf hingewiesen hat, dass wir uns unangenehme Erfahrungen erinnern sollen und beim Tanzen einbringen. Sie bestätigt, dass die Teilnehmer nach dem Training viel gelassener nach Hause gehen.  

Im Internet existieren übrigens einige Studien, welche die körperlichen und psychologischen Nutzen von Tanz bei Personen mit Autismus aufzeigen.

 

Ich bin selbst Tanzlehrer

Wer mich live als Tanzlehrer miterleben möchte, kann dies gerne tun. Seit Sommer 2024 unterrichte ich für die Fachorganisation Pro Infirmis montags abends in Solothurn eine Stunde Streetdance für Menschen mit Beeinträchtigungen. Via der Organisation Plusport leite ich in der Schweiz auch Ferienlager für Kinder mit Autismus, Trisomie 21 und anderen Erscheinungsformen der Neurodivergenz. Hierbei gestalte ich gelegentlich Tanzlektionen.

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